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Gräser- Kunst- Projekt des Seniorenstudiums

an der Otto-von Guericke-Universität Magdeburg

Seit fünf Jahren finden sich Teilnehmerinnen des Seniorenstudiums der Otto-von-Guericke-Universität unter der Leitung von Anne Facius zu künstlerischer Projektarbeit ganz besonderer Art zusammen:  Sie fertigen und präsentieren Objekte aus Gras.

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Ungewöhnlicher Kopfschmuck auf der Internationalen Gartenschau Berlin 2017                             Foto: Thomas Uhlemann

Faszination Gräser

Seit 1988 beschäftigt sich Anne Facius mit der Grasweberei. Die Liebe zur Natur, blühende Juniwiesen, Waldlichtungen, wo herrliches filigranes  Gras wächst, inspirieren sie zu ungewöhnlichen Kunstschöpfungen. Unter ihrem Dach in einer Reihenhaussiedlung hängen die Gräser in großen Bündeln zum Trocknen. Sie hat den Duft des Sommers sowie seine Farbenvielfalt eingefangen und zu Wandteppichen, kunstvollen Dekoobjekten, Grasmänteln und Kopfbedeckungen umgewandelt. Mittlerweile arbeitet sie mit Gartenarchitekten, Szenekennern und Züchtern zusammen, um sich auch mit Zuchtgräsern auseinanderzusetzen. Mit den verschiedenen Chinaschilfsorten (Miscanthus sinensis) hat sie bereits gute Erfahrungen gemacht. Die zarten Blüten eignen sich besonders für eindrucksvolle Mode.

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Verschiedene Gräser, unterschiedlich verarbeitet: v.l.n.r.: Chinaschilf gewebt, Naturschilf geknüpft, Japanwaldgras geknüpft, Straußgras geknüpft, Chinaschilf gewebt mit Noppen

Die unterschiedlichen Gräser bringen interessante Ergebnisse hervor. Sie unterscheiden sich maßgeblich in Struktur und Wirkung. Während Chinaschilfblüten wie puscheliges Schaffell aussehen, wirken Wildgräser oft wie Edelpelze. Auch die Verarbeitungsweise spielt eine große Rolle und führt zu aparten Unterschieden. Geknüpfte Arbeiten sehen aus wie Fell, gewebte haben einen seidigen Glanz.                                                                                                                           

Wie kam es zu dem großen Interesse von Teilnehmern des Seniorenstudiums an den Grasarbeiten?

Es begann mit Ateliergesprächen, die Anne Facius im Studienführer „Studieren ab 50“ angeboten hatte. Weil ihr Atelier nicht alle Interessenten fassen konnte, wurden mehrere kleine  Treffen vereinbart. In den Diskussionen entwickelte sich großes Interesse am Mitmachen. Einige äußerten den Wunsch, einmal an einer Veranstaltung aktiv teilzunehmen.

Das Quedlinburger Brühl-Park-Fest unter dem Motto „Sommernachtstraum“ bot sich an. Es wurde ein Konzept entwickelt. Jede Teilnehmerin sollte sich ihre Grasperücke selbst anfertigen. Wie viel Geschick, Mühe und Geduld das erforderte, war vorher niemandem klar. Das getrocknete Material musste vor der Weiterbearbeitung - dem Knüpfen oder Nähen - eingeweicht werden. Hatte es nicht die richtige Konsistenz, zerbrach es. Alle haben durchgehalten und es geschafft. Sie waren stolz auf ihr Ergebnis, das einmalig war und alle Anstrengungen vergessen ließ.

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Feen aus dem „Sommernachtstraum“                                                                                                                 Foto:  Pitt Beckmann

Bereits 2013 hatte die Zusammenarbeit mit Projektgruppen des Seniorenstudiums begonnen. Die erste Beteiligung an einer Ausstellung im Hundertwasserhaus in Magdeburg wurde von einem Mitglied der Schreibwerkstatt literarisch begleitet. Ebenfalls in dieser Zeit begann die Kooperation mit der Projektgruppe „Computerbildbearbeitung“. Das Ergebnis waren eine Powerpoint-Präsentation und ein Flyer.

In den nächsten Jahren folgten Einladungen zu verschiedenen Events wie Ausstellungseröffnungen, Jubiläumsveranstaltungen und weiteren öffentlichen Auftritten.

Besonders hervorzuheben ist die Bundesgartenschau 2015 auf dem Standort für nachwachsende Rohstoffe in Premnitz. Anne Facius war hierzu eingeladen worden und bekam zudem die Möglichkeit, eine Ausstellung in einem eigens dafür errichteten Pavillon zu gestalten. Das gab ihr den Impuls für ein weiteres Projekt: Sie wollte tragbare Mode aus nachwachsenden Rohstoffen entwerfen.

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Wintermode: Gräser statt Fell                                                                   Foto: Pitt Beckmann  

Es war nicht schwer, wieder interessierte Frauen aus dem Seniorenstudium zu gewinnen, um zu diesem besonderen Höhepunkt die künstlerisch reizvollen Produkte zu präsentieren, denn es hatte sich herumgesprochen, wie viel Freude das Mitmachen bereitet. Mit Anmut, Heiterkeit und Esprit spazierte die Gruppe durch den Park, hatte viele Begegnungen, Gespräche und Anfragen über Ernte, Sorten und Bearbeitungsprozesse der verschiedenen Gräser. Die Besucher waren begeistert. Im Gästebuch finden sich unzählige Eintragungen aus aller Welt - voller Erstaunen über diese ungewöhnliche Kunstrichtung. So z.B.: „Ich habe Vieles in der Welt gesehen, aber solche filigrane Naturkunst noch nie. Sehr beeindruckend.“  Sabine B.

 „Bezaubernde Feen, ein Hauch von Magie, super. Danke für die Schönheit.“ Dirk u. Galoy, Berlin

„Thank you so much for making very nice Art for us to see.“ Marna aus Bangkok, Thailand

In Vorbereitung und während der Bundesgartenschau waren auch Presse und Fernsehen auf die kunstvollen Kreationen von Anne Facius aufmerksam geworden. Zwei kleine Fernsehberichte wurden gesendet; Zeitungen berichteten über die reizvolle Mode und kündigten die mehrmaligen Auftritte der Gruppe an.

Dieses ereignisreiche Jahr 2015 wurde von Seniorenstudenten, die auch Hobbyfotografen sind, im Bild festgehalten. Die Projektgruppe „Magdeburger Halbkugeln“, in der junge Studierende und Teilnehmer des  Seniorenstudiums zusammenarbeiten,  produzierte aus dem Fotomaterial eine CD und ebenfalls einen Flyer.

Der wachsende Bekanntheitsgrad ermöglichte dem Team um Anne Facius - als bisherige Krönung - die Teilnahme an der Internationalen Gartenschau in Berlin 2017. „Walk-Art“ hieß das Projekt. Die Vorbereitung aller Mitstreiterinnen auf die zu erwartenden Fragen erwies sich als vorausschauend, denn das Interesse der Besucher und der Medien war enorm. Sie selbst hatten höchst selten Gelegenheit, die Blumenschauen und die Gärten der Welt zu besichtigen. Aber die Begegnungen mit den Besuchern, überraschtes Staunen, Freude über eine erneute Begegnung mit der Graskunst nach dem Erleben in Premnitz waren schönster Lohn für den intensiven Einsatz an den Tagen der Präsentation.

Auch an der Universität hatte die Teilnahme an den überregionalen und internationalen Events eine erfreuliche Resonanz. Zur Eröffnungsveranstaltung des Wintersemesters 2015/2016  wurden die bisherigen Aktivitäten mit einem Vortrag von Anne Facius und einem Auftritt der  Gäserkunstgruppe vorgestellt.   

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Foto: Eröffnung  Herbst/Wintersemester 2015/2016                                                                                         Foto: Pitt Beckmann   

Neben all diesen Unternehmungen stehen auch Kontakte der Teilnehmer des Seniorenstudiums mit den Grasdamen im Studienprogramm. So z. B. die Begegnung auf der Bundesgartenschau in Premnitz, auf der Internationalen Gartenschau in Berlin oder bei gemeinsamen Exkursionen. Ein Zusammentreffen ist ebenso auf der Landesgartenschau in Burg im Mai 2018 geplant.

Damit Austausch überhaupt in Gang kommt, bedarf es immer einer passenden Gelegenheit. Und die gibt es durch die unterschiedlichen Aktivitäten. Die Teilnehmer kommen ins Gespräch und lernen sich besser kennen. Häufige Treffen und Gespräche, Gemeinsamkeiten wie gleiches Alter, ähnliche Situation, Einstellungen oder Interessen geben das Gefühl, auf gleicher  Wellenlänge zu liegen. So werden zwischenmenschliche Kontakte befördert, die  Chancen für einen intensiven Austausch von Ansichten und Erfahrungen bieten. Neue soziale Kompetenzen entwickeln sich, und das ist von großer Bedeutung für die Senioren.

Die älteste Teilnehmerin der Grasdamen ist 78 Jahre alt. Sie fand durch dieses neue kreative Hobby wieder Kontakt zu ihrer Tochter und Enkelin. Letztere fand es „richtig cool, was Oma da macht!“ Vorurteile gegenüber Senioren, dass sie im Alter wenig innovativ oder weniger lernbereit sind oder sogar ihre Motivation sinkt, können widerlegt werden. An diesen Beispielen zeigt sich sogar das Gegenteil. Die Senioren bleiben „jung“ im Kopf, „jung“ in der Kommunikation, können sich neue Kenntnisse aneignen, neue Bekanntschaften schließen und auch neue Freundschaften entwickeln.

Die Autorinnen:
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   Anne Facius                                        Dr. Karin Tietz                Dr. Cornelia Weikert
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